P. Jan Korditschke SJ war von 2017 bis 2021 Leiter der Katholischen Glaubensinformation im Forum der Jesuiten/ Berlin-Charlottenburg und engagierte sich daneben in der Gemeinde St. Canisius. Seit September 2021 arbeitet er im Haus HohenEichen, einem Exerzitienhaus der Jesuiten in Dresden. Im Folgenden schreibt Pater Korditschke über seine Beteiligung an der Initiative #OutInChurch.
1) Worum es geht
Bei der Initiative #OutInChurch haben sich am 24. Januar 125 queere Katholik*innen geoutet. Die Beteiligten sind z.B. lesbisch, schwul, bisexuell, trans oder nicht-binär (in der engl. Abkürzung: LGBTIQ+). Sie kommen aus nahezu allen Bistümern Deutschlands und sind haupt- oder ehrenamtlich für die katholische Kirche tätig oder tätig gewesen. Auf einer eigenen Website zeigen viele von ihnen ihr Gesicht und ihren Namen, manche können zum Schutz vor möglichen Repressionen nur anonym teilnehmen. In der Dokumentation „Wie Gott uns schuf“, die noch in der Mediathek der ARD zu sehen ist, schildern einige aus der Gruppe ihre teilweise erschütternden Erfahrungen mit der katholischen Kirche. Im Mai wird zu diesem Thema auch ein Buch erscheinen.
Queere kirchliche Mitarbeitende, die z.B. eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder eine Zivilehe schließen, müssen mit schweren dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen – bis hin zur Kündigung. Immer wieder kommt es vor, dass sich Gläubige, die öffentlich queer leben, aus ihrem ehrenamtlichen Engagement zurückziehen müssen oder z.B. keine Kommunion mehr bekommen. Queeren Paaren wird eine Segnung ihrer Beziehung verweigert.
Angesichts dieser Situation hat die Initiative ein Manifest formuliert. Darin fordert sie unter anderem, dass das kirchliche Arbeitsrecht reformiert wird. Ziel ist eine Kirche:
- in der LGBTIQ+-Personen ohne Angst offen leben und arbeiten können;
- in der diffamierende Aussagen der kirchlichen Lehre zu Geschlechtlichkeit und Sexualität auf Grundlage aktueller theologischer und humanwissenschaftlicher Erkenntnisse revidiert werden;
- in der LGBTIQ+-Personen beziehungsweise Paaren eine Segnung sowie die Sakramente nicht vorenthalten werden.
2) Warum ich mitmache
Ich bin einer derjenigen, die sich geoutet haben.
Ich solidarisiere mich mit all den Gläubigen, denen es aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität in der katholischen Kirche schwer oder unmöglich gemacht wird, so zu leben, wie sie sind. Viele von ihnen engagieren sich in Kirchengemeinden und anderen Orten kirchlichen Lebens. Aus Seelsorgegesprächen – nicht zuletzt in St. Canisius und dem Forum der Jesuiten – weiß ich um ihren Glauben, ihre Liebe zu ihren Partner*innen, aber auch um den Schmerz und die Verletzungen, die ihnen zugefügt wurden. Die persönlichen Begegnungen mit ihnen bewegen mich so, dass ich nicht länger schweigen kann.
Es ist wichtig, dass in der Kirche mit queeren Gläubigen gesprochen wird, nicht nur über sie. Das ist aber nur möglich, wenn queere Gläubige sich ohne Angst vor Repressionen am Gespräch beteiligen können. Damit dies möglich wird, erhebe ich jetzt zusammen mit anderen Betroffenen meine Stimme.
Die Kirche braucht eine Kultur der Aufrichtigkeit, Offenheit und Fairness. #OutInChurch trägt dazu bei.
Für mich persönlich besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Anliegen unserer Initiative und anderen emanzipatorischen Bewegungen in der katholischen Kirche, z.B. dem Einsatz für die Gleichberechtigung von Frauen – einen Einsatz, den ich voll und ganz unterstütze.
3) Wem ich dankbar bin
Ich danke den queeren Christ*innen, denen ich in St. Canisius und der Katholischen Glaubensinformation begegnen durfte. Ihr Glaubenszeugnis und Engagement haben mich inspiriert und gestärkt.
Seitdem #OutInChurch öffentlich ist, haben mir viele Menschen versichert, dass sie hinter der Initiative stehen, darunter auch zahlreiche Mitglieder der Gemeinde St. Canisius und des Pastoralen Raums Charlottenburg-Wilmersdorf. All die wohlwollenden Reaktionen berühren mich sehr!
Als die Idee für #OutInChurch entstand, war die Unterstützung von P. Klaus Mertes SJ, meinem damaligen Superior, für mich eine unschätzbare Ermutigung.
4) Was ich mir wünsche
Ich wünsche mir, dass die sieben von #OutInChurch aufgestellten Kernforderungen erfüllt werden. Inzwischen hat die Deutsche Bischofskonferenz freundliche Worte für die Initiative gefunden. Mögen den Worten Taten folgen!
Im Rahmen einer Petition können Sie sich hinter die Forderungen der Initiative stellen. Näheres dazu finden Sie HIER. Machen Sie auch gerne andere Menschen darauf aufmerksam!
Es gibt queere Katholi*innen, die bereits ihr Coming-out hatten und bereit sind, über sich zu sprechen. Lassen Sie sich von ihrem Glauben und ihrer Liebe erzählen, falls möglich, auch von ihren Enttäuschungen und Verwundungen. Hören Sie zu! Ich bin überzeugt: Im unvoreingenommenen vertrauensvollen Austausch eröffnen sich neue Horizonte.
Jan Korditschke SJ