Freiheit und Verantwortung – Predigt und Nachgespräch
Die philosophische predigt im März hielt Kerollous Shenouda. Er stammt aus Ägypten und arbeitet beim Jesuitenflüchtlingsdienst JRS. Er kennt das Schicksal von Geflüchteten und kann sich gut in deren Leid versetzen, da er es am eigenen Leib erlebt hat.
Kerollous Shenouda ist koptischer Christ und sprach zum Thema „Freiheit und Verantwortung“. Dabei versteht er Freiheit als ein Geschenk. Es schmerzt ihn, wenn dieses kostbare Gut nicht oder zu wenig wertgeschätzt wird. Das Geschenk wertschätzen bedeutet: Verantwortung übernehmen. Es geht nicht an nur die Freiheit (im Sinne von: ich tue was ich will) in Anspruch zu nehmen und sich vor Verantwortung zu drücken.
Verantwortungsübernahme ist auch deswegen nötig, weil unsere Entscheidungen immer Auswirkungen auf andere haben: Sei es auf die Gesellschaft, sei es auf künftige Generationen. „Wenn ich meine Freiheit nur als Tool nutze, um meine persönlichen Verhältnisse zu verbessern, unabhängig von den gesellschaftlichen Auswirkungen, handle ich verantwortungslos und richte Schaden in der Gesellschaft an.“
Wichtig ist für nach Deutschland Geflüchtete zunächst das Erlernen der deutschen Sprache. Man muss da auch der Versuchung nach dem schnellen Geld – etwa bei einem Sicherheitsdienst oder im IT-Bereich widerstehen, wo man sofort anfangen kann und notfalls auch mit Englisch durchkommt. Aber wer hier wirklich ankommen will und kein Fremder bleiben möchte, der kommt um ein gutes Deutsch nicht herum.
Trotz finanzieller und zeitlicher Nachteile hat Kerollous Shenouda seinen ursprünglichen Beruf aus der IT-Branche zugunsten eines Beraters beim JRS aufgegeben und hat diese Entscheidung nicht bereut. Seit einem Jahr ist er verheiratet und ist mit seiner Frau dabei, eine Familie zu gründen, denn: „Die Entfaltung der Freiheit und die Übernahme von Verantwortung sind langfristige Entwicklungsprozesse, die in erster Linie im familiären Umfeld erlernt werden.“
Wer Verantwortung nicht erlernt, der handelt verantwortungslos, sei es als Sachbearbeiter in der Ausländerbehörde, wenn er dem jungen Mann aus Afrika keine Arbeitserlaubnis ausstellt, sei es als Vermieter, der eine Wohnungsbewerbung ablehnt, weil man Araber ist oder sei es als Geflüchteter, der schwarz arbeitet, der zwar Geld verdient, aber am Fiskus vorbei unsozial handelt.
Der barmherzige Samariter, von dem im Evangelium erzählt wurde, hätte wie schon der Priester und der Levit achselzuckend am unter die Räuber gefallenen Opfer vorbeigehen können, aber er entschied sich für die Menschlichkeit. Freiheit ist deswegen nicht nur ein Vorteil, sondern auch eine Prüfung, die es zu bestehen gilt.
Anschließend lud P. Pfuff, der den Gottesdienst leitete, und sein Team in den Gemeindesaal ein. Dort wurde ein Film gezeigt, in dem Ali Kermani – ebenfalls Geflüchteter und jetziger Mitarbeiter – sein Schicksal erzählt. Neben Kerollous aus Ägypten, Ali aus dem Iran, Johannes aus Äthiopien und Omran aus Afghanistan stellten sich den Fragen der Interessierten, die zum Nachgespräch gekommen waren. P. Pfuff moderierte das Nachgespräch und stieß auf interessierte Zuhörerinnen und Zuhörer.
Manfred Hösl SJ