Szenische Lesung mit musikalischer Begleitung in St. Canisius
Unter dem Titel Apeirogon – so der gleichnamige Roman des Iren Collum McCann – fand am 13. Oktober nachmittags in der Canisiuskirche eine erschütternde szenische Lesung statt. Sebastian Aperdannier (Münster), Peter Gößwein und Angelica Hilsebein lasen aus dem Roman – die musikalische Begleitung übernahm Prof. Dirk Elsenmann (beide Berlin).
Es geht um eine andere Sicht auf den Nahostkonflikt. Erzählt wird von zwei Vätern: Einem jüdischen Israeli und einem muslimischen Palästinenser. Beide verlieren durch Gewalt ihre Tochter.
Zunächst wird der Tod der Mädchen gleichsam nüchtern berichtet: Das jüdische Mädchen wird Opfer eines islamistischen Selbstmordanschlags mitten im modernen Jerusalem, das muslimische Mädchen wir mit einem Gummigeschoss am Kopf getroffen, das ein junger israelischer Soldat auf das Mädchen abgefeuert hatte. Warum?
In einer zweiten Runde erzählen die Väter der Mädchen, wie sie den Tod der eigenen Tochter wahrnahmen. Die Mädchen waren einfach nur normal, mochten Jazztanz oder Süßigkeiten, lebten ihr normales Leben mit ihren Sehnsüchten und Träumen, die angehende Teenager haben. Es ist gerade diese unspektakuläre Normalität, die das Geschehen so unfassbar macht. Mit einem Knall werden beide aus ihrem Leben herausgerissen, das doch noch gar nicht richtig angefangen hatte.
Die beiden Väter gehen nun mehrere Phasen durch: Sie können und wollen es nicht wahrhaben, sie tauchen in Hasswogen ein und wollen nur eins: Rache! Dann aber machen sie Begegnungen, in denen sie den Leidensgenossen wahrnehmen lernen. Und so wird aus dem unpersönlichen Feind der Leidensgenosse, den dasselbe Schicksal ereilt hat. Ja es ist gerade das Leid des anderen, das einem hilft das eigene Leid zu verarbeiten und zu verkraften. Und so verlassen beide Väter die Endlosschleife von Gewalt und Gegengewalt. Beide engagieren sich bei Parents Circle, wo seit mehr als 30 Jahren israelische und palästinensische Familien zusammenkommen, die durch Gewalt zwischen ihren Völkern nahe Angehörige verloren haben.
Trotz oder gar wegen ihres schmerzlichen Verlustes setzen sie sich für Dialog, Versöhnung, Gerechtigkeit und Frieden ein. Und dafür, die Gewalt zu überwinden. Sie gründen Parents Circle – Families Forum (PCFF), wo Menschen einander auf beeindruckende Weise begegnen und dem inzwischen über 800 Familien von beiden Seiten angehören. Auch der Überfall der Hamas vom 7. Oktober 2023 und der anschließende Gazakrieg konnte die Familien nicht trennen.
Herzlichen Dank an Klaudia Höfig (Referentin für interkulturelle Pastoral am EBO) sowie Angelica Hilsebein (Referentin für Interreligiösen Dialog), die diese Veranstaltung zusammen mit dem House of One und dem Bet- und Lehrhaus Berlin in St. Canisius möglich gemacht haben. Das am Ende ausliegende Infoblatt fasst die Botschaft dieses Nachmittags zusammen: Dies ist ein Moment für alle beteiligten Parteien, über die Sinnlosigkeit des anhaltenden Konflikts nachzudenken und zu erkennen, dass uns eine gemeinsame Menschlichkeit verbindet.
P. Manfred Hösl SJ