Am 22. Juni 2024, am Abend der Mittsommernacht, fand ins Sankt Canisius eine ganz besondere Abendmesse statt:
In der Messe, zelebriert von Pater Manfred Hösl, zeigte Pater Saju George SJ aus Indien (Kalkutta) mit fünf Tänzerinnen und Tänzern klassischen indischen Tanz – integriert in den Ablauf der Messliturgie.
Neben den traditionellen Liedern des Gemeindegesangs zum Lob Gottes waren Klänge indischer Sitar und der Begleitinstrumente zum Tanz (vom Band) zu hören. Ein farbenfrohes und dynamisches Ereignis im lichten Raum der Kirche, das alle Anwesenden begeisterte.
Was war das für ein kraftvolles, starkes und intensives Singen, Beten und Tanzen! Ein Tanz aller Sinne und der Öffnung der Herzen.
Tanz in der Kirche? Die Schönheit, und die Dynamik, die Körperlichkeit und zugleich Spiritualität kann in ganz besonderer Weise zum Preis Gottes werden, so sagt P. Saju George im Gespräch nach dem Gottesdienst.
Er erzählt von dem, was während der Messe im Tanz spürbar wurde: von seiner Mission, durch Tanz Menschen untereinander und mit Gott zu verbinden. Er berichtet darüber, wie er schon in seiner Kindheit – geboren im Süden Indiens (Kerala) als Sohn christlicher Eltern – begeistert war vom hinduistischen Tanzstil des Bharatnayam. Dieser Tanzstil, der ein ganz spezifisches Training über viele Jahre erfordert, der mit seinen stilisierten Hand-Gesten, mit ausdrucksvoller Mimik und Augen-Spiel Episoden erzählt aus den Mythen und religiösen Erzählungen des Hinduismus, war für ihn eine Quelle des Lobpreises Gottes; und so hat er das Tanzen mit dem Beten und der Theologie verbunden, hat seine Doktorarbeit über die theologischen Grundlagen des indischen Tempel-Tanzes geschrieben: ein Tanz, der ursprünglich von Tänzerinnen (Devadasi), die für diesen Dienst im Tempel ausgebildet wurden, getanzt wurde.
Heute zeigt Saju George seine Tänze in Kirchen überall in Europa; die meisten hat er auf der Basis der alten Überlieferung selbst choreografiert – zum Beispiel den Sonnengesang des Franziskus von Assisi, den er mit seinem Ensemble in Sankt Canisius aufführte: Mit ausdrucksvollen Armen, Schleiern und Tüchern in Gesten dem Himmel entgegen.
Sein Tanz soll nicht nur die Gläubigen beim Besuch der Messe in unseren Kirchen erfreuen und inspirieren. Er dient auch der Unterstützung der Ärmsten und Benachteiligten in seinem Heimatland. Saju hat am Stadtrand von Kalkutta ein Zentrum aufgebaut: das Rosemary-Projekt, aus Spenden finanziert zum Bau einer Schule.
Die Gemeinde an diesem Abend spendete enthusiastischer Beifall – und blieb noch lange zum Gespräch und Austausch mit den Tänzerinnen und Tänzern
So etwas sollte in der Kirche öfter gewagt werden, haben wohl viele gedacht; gemäß den Zeilen über den Tanz, die (wenngleich auch theologisch umstritten) dem Kirchenvater Augustinus zugeschrieben werden:
„Ich lobe den Tanz, denn er befreit den Menschen von der Schwere der Dinge und bindet den Einzelnen zur Gemeinschaft. Ich lobe den Tanz, denn er beschwingt den Geist und verleiht der Seele Flügel.“
Auf diese Weise beschwingt und auf Flügeln der Seele haben wohl die meisten an diesem Abend die Kirche in die helle Sommernacht hinaus verlassen – begleitet von den Farben des Tanzes.
Gabriele Brandstetter