„Miteinander reden, nicht übereinander“
Über „Gleichberechtigung in den Religionen“ diskutierten die Podiumsgäste Prof. Dr. Julia Enxing, Dr. Lana Sirri und Helene Braun (v.r.n.l.), Journalistin Carmen Gräf (l.) moderierte den Abend. ©KDFB Berlin
Mehr als 40 Gäste waren am 29. September der Einladung nach St. Canisius gefolgt.
Auf dem Podium: Helene Shani Braun, angehende Rabbinerin und Mitgründerin des queer-jüdischen Vereins Keshet Deutschland e.V., Dr. Lana Sirri, Juniorprofessorin für Gender und Religion an der Uni Maastricht und Mitglied der Berlin Muslim Feminist Group, und Prof. Dr. Julia Enxing, Professorin für katholische Theologie an der TU Dresden.
Rabbinerinnen, Priesterinnen, Imaminnen: Noch immer müssen sich Frauen für ihren Anspruch auf geistliche Leitungsämter rechtfertigen. Ein Unding, fand Julia Enxing. „Nicht die Integration, sondern der Ausschluss von Frauen ist begründungspflichtig.“ Es gehe um die Frage, ob man Macht teilen möchte, nicht um theologische Argumente. „Wir müssen Maria 1.0 hinter uns lassen oder das, was aus ihr gemacht wurde: eine demütige Person, die nicht aufmuckt, rein und unerreichbar ist. Sie ist kein Vorbild für eine freie und demokratiefähige Gesellschaft“, sagte die katholische Theologin. Die Religionen bräuchten neue, emanzipierte Frauenbilder wie das von Maria, die das Magnifikat singt, Maria Magdalena, die als erste die Auferstehung Jesu verkündet, das der Prophetin Mirjam.
Helene Braun bekräftigte diese Forderung. „Die traditionelle jiddische Frau kocht, kümmert sich um den Haushalt, die Kinder.“ Das Reformjudentum, dem die zukünftige Rabbinerin angehöre, kenne zwar vielfältigere Frauenbilder. „Aber selbst hier gibt es Vorbehalte, Frauen als Rabbinerinnen einzustellen.“
„Der Feminismus ist Teil des Islams.“
Auch in vielen islamischen Gesellschaften sind Frauen an das Haus und die Kindererziehung gebunden und dürfen nicht als Vorbeterinnen fungieren. Der Islam rechtfertige aber nicht zwingend die hervorgehobene Stellung des Mannes, betonte Lana Sirri. „Der Feminismus ist Teil des Islams.“ Zu seinen prägenden Personen gehöre beispielsweise Umm Salama, die sechste Frau des Propheten Mohammed, die sich für die Gleichberechtigung der Frau einsetzte und u.a. die männliche Sprache des Korans kritisiert habe.
Wie können sich Jüdinnen, Christinnen und Musliminnen gegenseitig in ihrem Kampf für Gleichberechtigung stärken?, fragte Moderatorin Carmen Gräf zum Schluss.
„Als erstes muss sich die weiße Mehrheitsgesellschaft in Deutschland auf die muslimische einlassen. Wir müssen miteinander reden, nicht übereinander“, betonte Lana Sirri. Feministinnen sollten aufhören, muslimische Frauen „befreien“ zu wollen. Zu kritischer Distanz zur eigenen Position rief auch Julia Enxing auf. Vernetzung funktioniere nur, wenn wir voneinander lernten – überkonfessionell, über mehrere Generationen hinweg, und möglichst ohne Vorbehalte.
Ob Allianzen, Flashmobs, Oben-ohne-Gottesdienste, Protest- oder Kunstaktionen, die Podiumsgäste waren sich einig, dass es das Wichtigste sei, nicht zu schweigen und den Kampf für Gleichberechtigung in die Gesellschaft zu tragen. Gerechtigkeit sei nicht an ein Geschlecht gebunden.