Eine Rezension
Erneut hat es ein stark religiös angehauchter Film in die Kinos geschafft: Harriet – der Weg in die Freiheit. In ihm spielt Cynthia Erivo die einst selbst geflohene Fluchthelferin Harriet Tubman, die so zu einer Art Moses im Amerika der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde. Ex-Präsident Barack Obama plante 2016 Harriet auf einer neuen 20-Dollar-Note zu verewigen, was die Trump-Administration freilich erst einmal auf Eis gelegt hat.
Die Sklavin Araminta „Minty“ Tubman beschließt von ihrer Plantage zu fliehen. Wider alle Prognosen schafft sie es nach Pennsylvania, wo es keine Sklaverei mehr gibt. Aber dort kann sie ihre Freiheit nicht wirklich genießen, solange sie ihre Familie weiter in Sklaverei weiß. Und so holt sie immer mehr Verwandte in den rettenden Norden der USA und wird zu einer Art weiblicher Mose, die Sklaven in die Freiheit führt.
Der Film arbeitet mit klaren Kontrasten und ist damit typisch „amerikanisch“: Die Weißen sind meist böse und erbarmungslos, die Schwarzen (fast) alle gut – Ausnahmen auf beiden Seiten bestätigen nur die Regel. Vermittelnde Charaktere sind selten. Minty, die nach ihrer Befreiung den Namen Harriet annimmt, handelt nach Visionen, in denen Gott ihr eingibt, welchen Weg sie einschlagen soll, um ihren Verfolgern zu entkommen. Greift Gott so direkt ein? Meldet er sich so zu Wort? Harriet ist ganz Werkzeug Gottes. Bekannte Spirituals und der Titelsong im Abspann unterstreichen die religiöse Komponente. Im Film ist klar, dass Gott hinter Harriet steht, dass die Sklaven wie die alten Israeliten zur Freiheit gerufen und die weißen Farmer verstockt wie der Pharao sind. War das damals in den Südstaaten der USA der 1850er Jahre so klar?
Wird Greta Thunberg einmal die „Mosa“ in Sachen Klimaveränderung sein? Werden dann die Fronten in einem dann gedrehten Film auch so klar sein: Hier die guten Klimaretter, dort die verstockten Klimazerstörer? Was ist mit den vielen Menschen, die sich irgendwo in der Mitte sehen?
Harriet handelt, weil ihr Gott eingibt, was sie tun soll. Sie setzt sich gegen alle Widerstände durch und hält – fast möchte man sagen – verbissen an ihrer Mission fest. Wo ist diese klare Stimme Gottes heute? Wer hört sie? Ist sie nicht da oder hören wir sie nicht? Was will Gott heute und von uns? In Zeiten massiver Kirchenaustritte tut dieser religiöser Werbefilm dem christlichen Image gut. Ich fürchte aber, dass die Dinge damals nicht so klar waren, wie sie aus heutiger Sicht sind: Sklaverei ist und war unmenschlich. Aber was sagt Gott in Sachen Klimaveränderung oder Corona? Wenn es doch auch hier so eine klare Klarheit gäbe, jetzt und nicht erst in 100 Jahren…
P. Manfred Hösl SJ