Beerdigung ohne Anhang

Spaß muss sein, auch bei der Beerdigung, sonst kommen die Leute nicht mehr – so soll man im Ruhrpott sagen. Bei manchen Beerdigungen kommt aber tatsächlich niemand. Wie im Fall von Maria-Anna E. Geboren in Bochum, geheiratet in Essen, gestorben in Berlin. 85 Jahre alt. Letzter Wohnort: Ein Altenheim in Charlottenburg. Das ist alles, was das Bestattungsinstitut und ich erfahren. Frau E. soll trotzdem die Trauerfeier bekommen, die sie sich mutmaßlich gewünscht hat.

Unser langjähriger Küster Franz Arendt hatte wie immer den Beerdigungswäschekorb zeitig gepackt. Nichts wurde vergessen: Talar, Albe, Rauchmantel, Weihwasser und Weihrauch… Wir fahren zu einem Friedhof nach Neukölln. Um ja nicht mit den Traktoren der demonstrierenden Bauern zu kollidieren fahren wir zeitig. Der Pfarrer der vorherigen Beerdigung packt noch schnell seine Sachen. Kurzer Wortwechsel, anziehen. Dann spreche ich mich mit dem Orgelspieler ab. Er stammt aus Köln, ist aber evangelisch! Wie er das geschafft hat, weiß nur er allein, aber den Dom findet er trotzdem cool. Er spielt zwei katholische Lieder – kein Problem: Mein Hirt ist Gott der Herr und Segne du Maria. Franz Arendt, der Organist, sogar ein wohl ebenfalls evangelischer Angestellter des Bestattungsinstitutes summt mit. Marienlied von einem Protestanten – zählt das doppelt? Wir lächeln ein wenig. Spaß kann also sein, auch bei der Beerdigung.

Ich spreche Psalm 23. Ein paar kurze Worte, „PKW“ in meiner Branche genannt. Dann lege ich meine Hand an den Sarg und bete das „Zum Paradies mögen Engel dich begleiten…“ Der Organist setzt noch einmal an, diesmal brausen bekannte Töne des großen Protestanten Johann Sebastian Bach von der Orgel herab. Die Türen öffnen sich, die Sargträger kommen. Wir tragen Maria E. zu ihrer letzten irdischen Ruhestätte. Wir lassen kein Ritual und Gebet weg: Erde, Weihwasser, Weihrauch, Vater unser, Salve Regina. Tschüss Maria, Du bist nicht sang und klanglos verschwunden. Wir werden heute Abend in der Messe für Dich beten…