So heißt ein derzeit laufendes Ein-Frau-Stück im Renaissance – Theater, in dem Nicole Heesters in die Rolle der Marias, der Mutter Jesu, schlüpft. In einem Monolog schildert sie ihre Sicht auf ihren Sohn. Eine spannende Sicht auf das (mögliche) Innenleben der Gottesmutter.
Maria wohnt inzwischen im damals griechischen Ephesos, in der heutigen Westtürkei, wo sie der Überlieferung nach dem Evangelisten Johannes gefolgt ist, der unter dem Kreuz Jesus versprach, sich fortan um dessen Mutter zu kümmern (vgl. Joh 19,27).
Maria wird zunehmend von Jüngern bedrängt einen objektiven, nüchternen, faktenorientierten „Bericht“ über Jesus zu liefern. Sie wollen ihr erklären, wie es wirklich bei der Empfängnis zugegangen sei. Dem widersetzt sich Maria aber vehement. Sie kann und will ihr persönliches Leben nicht abspalten, um rohe Fakten rauszurücken, die doch nichts erklären. Und so erzählt Maria, wie sie Jesus erlebte und welche Gefühle er in ihr ausgelöst hatte…
Wenn sie sich, jetzt am Ende ihres Lebens noch etwas wünschen könnte, dann noch einmal in der Zeit vor seinem messianischen Auftreten leben zu können. Damals als Jesus noch „normal“ war, dem Handwerk des Zimmermanns nachging und zuhause war. „Das war mein Junge!“, so Maria über diese für sie goldene Zeit, von der der Bibelleser freilich nichts erfährt.
Dann kamen die Jünger! Diese „Gruppe von Nichtsnutzen“, „alte Kinder“, diese „Horde“, diese „Alltagsversager“. Sie entrissen ihr ihren Jesus, der fortan so komisch gestelzt zu den Menschen sprach. Aber auch Maria konnte sich den Geschichten um Jesus und seinen Jünger nicht entziehen: „Obwohl ich versuchte nicht hinzuhören, krochen diese Geschichten … wie Nebel …“ auch an sie heran.
Maria streift mehrere biblische Geschichten aus dem Johannesevangelium. Es begann mit Joh 5, der Heilung des Mannes, der 38 Jahre krank war und ging weiter mit der Lazarusgeschichte und dessen Wiederbelebung (Joh 11), dem sich dann merkwürdigerweise Kana (Joh 2) anschloss. Dort saß Maria zwei Stunden neben ihren Sohn anlässlich einer Hochzeit – und sie hatten nicht miteinander geredet! In der Totenerweckung des Lazarus sah Maria den Anfang vom Ende. Eigentlich wären schon die Wunder nicht Jesu Aufgabe, aber eine Totenerweckung ist „niemands Aufgabe!“ Jetzt mussten doch die Mächtigen auf den Plan gerufen werden! Und tatsächlich zog sich fortan die Schlinge für Jesus immer weiter zu.
Die Schilderung der Kreuzigung aus dem Mund Marias war grausam und ergreifend, sicher ein Highlight des Monologs. Fast ausgefallen ist dagegen die Auferstehung, vielleicht auch, weil nach den biblischen Berichten keine Erscheinung des Auferstandenen vor seiner Mutter berichtet werden. An dieser Stelle wird dem Leser der Bibel somit etwas fehlen. Am Ende des Stückes nennt Maria noch eine Reihe Fragen, u.a.: Durch Jesu Tod würden alle Menschen erlöst, gerettet für das ewige Leben. War das der Sinn des Ganzen? Und Maria schließt: „Wenn ihr sagt, dass er die Welt erlöst hat, dann sage ich euch: das ist sie nicht wert!“
Nicole Heesters spielt die Rolle der Maria großartig. Allein das Textkorpus, das die 82-jährige Tochter von Johannes Heesters (1909-2011) zu bewältigen hatte war enorm. Gegen Ende des Stückes gab es im Auditorium den Zusammenbruch einer Zuschauerin, den die Schauspielerin souverän meisterte. Während des Stückes herrschte eine atemberaubende Stille, am Ende gab es tosenden Beifall – zurecht!
P. Manfred Hösl SJ