Gal 3,28 Frauen in der Gemeinde
Der mündliche Charakter der Predigt wurde belassen! Auf Anmerkungen muss ich aus Zeitgründen leider verzichten. Für kritische Rückmeldungen bin ich dankbar! Sie können die Predigt auch nachhören – folgen Sie diesem Link:
Liebe Schwestern und Brüder,
der Brief des Apostels Paulus an die Galater gehört zu den ältesten Schriften des Neuen Testaments. Er atmet noch den Geist der großen Ereignisse, die das Leben eines Petrus, einer Maria Magdalena oder eben eines Paulus völlig auf den Kopf gestellt haben: Die Kreuzigung und Auferstehung Jesu, seine Himmelfahrt und Pfingsten. Diese eindrücklichen Erlebnisse ließen das ganze Leben Jesu vorher, ja die ganze Welt in einem neuen Licht erscheinen. – Sieben Punkte!
- Die fundamentale Gleichheit
Eine, glasklare, mit diesen umstürzenden Ereignissen einhergehende Konsequenz war für die Beteiligten: Die bis dato üblichen Schubladen passen nicht mehr! Die bisherigen Kategorien haben ausgespielt!
Angesichts des Christusereignisses sind wir alle gleich: Juden und Griechen, Slaven und Freie, Männer und Frauen! In einer von Kreuzigung und Auferstehung, Himmelfahrt Jesu Christi und Pfingsten geprägten Welt haben die kleinkarierten menschlichen Klassifizierungen ausgedient.
Und das war keine bloße Theorie – das wurde umgesetzt: Sklaven hatten führende Positionen in Gemeinden inne, Frauen fungierten als Diakone, griechisch-sprachige und hebräisch-sprechende Christen arbeiteten zusammen und zogen an einem Strang.
Besonders die Paulusbriefe sind voll von Männer- und Frauennamen, die in den Gemeinden Ämter und Verantwortung hatten, gespeist aus der grundlegenden Überzeugung: Wir sind alle einer in Christus, so Paulus.
- Die absolute Priorität
Die Christen sahen angesichts des Christusereignisses keinen Sinn mehr in den kleinkarierten Grabenkämpfen:
- Was darf ich und was musst Du?
- Was dürfen Männer und was müssen Frauen tun?
- Welche Rechte haben Inländer und welche Pflichte haben Ausländer.
Solche und ähnliche Fragen spielten bei den Christen in der Stunde Null allenfalls eine untergeordnete Rolle.
Ganz oben auf deren Tagesordnung stand nämlich: Wir wollen, ja müssen den gekreuzigten und auferstandenen Jesus so schnell wie es geht, so nachhaltig es geht so vielen wie möglich verkünden!
Dieser Jesus muss unter die Leute gebracht werden! Jesus ist der Erlöser, der Heiland, der Retter, der Sohn Gottes, der Messias… Die Prädikate konnten gar nicht hoch genug sein, die Superlative gar nicht steil genug.
Die Apostel ließen sich den Mund nicht verbieten – auch durch Gewalt nicht! Die Verkündigung von Jesus als dem Christus hat absolute Priorität!
- Irritationen und Nachjustierungen
Nun war die Verkündigung Jesu kein leichtes Unterfangen: Die Erscheinungen des auferstandenen Christus – so wuchtig und kräftig sie die Protagonisten erlebt hatten – waren für die Zeitgenossen damals genauso schwer zu glauben wie für die Menschen heute.
Noch schwerer war es einen gekreuzigten Messias an den Mann / an die Frau zu bringen. Stand doch schon im 5. Buch Mose, in der Torah, im Alten Testament schwarz auf weiß: Ein Gehenkter (und ein Gekreuzigter galt als Gehenkter) ist ein von Gott Verfluchter (Dtn 21,22f). Da war es egal, was dieser vorher gepredigt und wie er gelebt hatte. Und bei diesem Jesus soll das nicht so sein?
Eine der ältesten Christusdarstellungen ist ein Grafitti: Jesus am Kreuz mit einem Eselskopf. Darunter steht: Alexamenos betet zu seinem Gott! Die Mehrheit dachte also: Die Christen sind entweder makaber, geschmacklos oder dumm. Oder wie Obelix sagen würde…
- Die spinnen die Christen!
Die Christen spürten zunehmenden Widerstand bei ihrer Christusverkündigung. Verschärft wurde die Skepsis der Leute durch das irritierende Verhalten der Christen: Die halten sich ja an gar keine Regeln mehr – so der Eindruck bei vielen! Bei denen ist alles gleich: Männer und Frauen, Griechen und Juden, Sklaven und Freie. – Wo gibt’s denn sowas?
Die Christen wiederum spürten selbst immer deutlicher, dass die von ihnen praktizierte, fundamentale Gleichheit Kopfschütteln, Gelächter und Spott, aber auch Empörung, Feindseligkeit und Widerstand hervorrief. „Ihr Christen zerstört ja unsere ganze Lebenskultur!“ so der im Raum stehende Vorwurf!
Als die Christen dann von einem gekreuzigten Gott faselten, war dann endgültig Schluss mit lustig. Jetzt wehte den Christen ein kalter Wind ins Gesicht.
Die Christen merkten: Wenn wir Gal 3,28 weiter 1:1 durchziehen, dann gefährden wir die Christus-Mission! Dann machen wir es den Leuten leicht uns als Spinner abzutun! Dann kommen wir mit der eigentlichen Botschaft – den gekreuzigten und auferstandenen Christus – gar nicht mehr durch.
- Die Realos setzen sich durch
Die Christen tendierten jetzt zu zwei Lagern: Modern gesprochen: Fundis und Realos:
Die Fundis wollten an Gal 3,28f festhalten und keine Kompromisse eingehen: Lieber Unverständnis ernten als hinter schon Erreichtes zurückfallen! Keine Kompromisse!
Die Realos sagten: Mit diesem Brachialkurs stoßen wir nur die Leute vor den Kopf und erreichen gar nichts. Die Verkündigung des gekreuzigten und auferstandenen Herrn muss absoluten Vorrang haben, ist schwer genug zu vermitteln – da müssen wir nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer gießen, in dem wir derzeit einfach nicht vermittelbare ethische Standards einfordern.
Deshalb beschlossen immer mehr Christengemeinden: Wir treffen eine klare Option für die Christusverkündigung! Hier kürzen wir kein Jota! Wir retuschieren Christus nicht zurecht, damit er in die aktuellen Lifestilekonzepte passt… Wir muten den Leuten weiter einen gekreuzigten Messias und einen auferstandenen Gottessohn zu! Hier machen wir keine faulen Kompromisse! 100% Christus!
Dafür passen wir uns in allen anderen Dingen, soweit sie der christlichen Botschaft nicht diametral widersprechen, den Standards der griechischen oder jüdischen Umwelt an. Denn: Wir brauchen vertrauensbildende Maßnahmen! Wir müssen der Umwelt entgegenkommen, auch wenn wir es eigentlich besser wissen und schon weiter sind.
Und so blieben die Frauen zunächst in Leitungspositionen, aber jetzt inoffiziell. Gemeindeintern konnte man das ja einordnen – das Problem war die kritische – aus heutiger Sicht patriarchale – Öffentlichkeit draußen! Und so passten sich die Christen immer mehr der Ethik der Umwelt an, opferten der als Priorität angesehenen Christusverkündigung Grundsätze, die uns heute, aber auch schon den Christen damals, Bauchschmerzen bereiteten, weil man es ja eigentlich besser wusste.
- Damals und heute
Die Christen damals kamen immer mehr zur Realo-Überzeugung: Wir müssen der nichtchristlichen Umwelt bis zur Scherzgrenze und darüber hinaus entgegenkommen. Wir dürfen den Erfolg der Mission nicht gefährden, in dem wir an – aus damaliger Sicht – zweitrangigen Gender-Fragen festkleben. Wir passen uns in diesen zweifellos wichtigen, aber letztlich eben doch sekundären Sachverhalten unserer Umwelt an, um mehr Power und Schlagkraft für unser wichtigstes Ziel zu haben: Die Verkündigung des gekreuzigten und auferstandenen Christus. Der eine oder die andere mag heute sagen: Ein zu hoher Preis! Aber sie haben sich nun mal so entschieden – und ich verstehe diese Entscheidung!
Aber, großes Aber: Heute hat sich die Lage, zumal in den westlichen Gesellschaften, diametral geändert. (Selbst bei den erzkatholischen Iren sprechen sich nach einer, von den dortigen Bischöfen in Auftrag gegebenen aktuellen Umfrage 96% für die Priesterweihe von Frauen aus). Heute ist Gal 3,28 kein unerreichbares, unrealistisches Ziel, sondern Standard in den demokratisch-rechtstaatlich-emanzipierten Gesellschaften. Es ist selbstverständlich geworden, dass Frauen und Männer gleichberechtigt sind, dass in der Konzernspitze oben und am Stahlofen oder bei APPLE unten In- und Ausländer einträchtig zusammenarbeiten, Mediziner und Ärztinnen, Männer und Frauen, Deutsche und Nichtdeutsche zusammen die Pandemie Corona bekämpfen. Es interessiert doch keinen Menschen, ob der rettende Impfstoff von einem Deutschen oder Koreaner, von einem Mann oder einer Frau, einem Manager oder Angestellten entwickelt wird – Hauptsache das Mittel wirkt.
Die Gleichheit, die damals für Paulus, Maria und Petrus nicht erreichbar war, ist heute – weitgehend, natürlich nicht überall! – Standard! Wir könnten das mühelos 1:1 umsetzen – und tun es nicht! Wir haben die Ausgangslage, von der ein Paulus nicht einmal träumen konnte – und lassen diese Chance ungenutzt verstreichen! Aber das ist – meiner Meinung nach – nicht einmal das schlimmste… Das ist nämlich…
- Die Gefährdung des Eigentlichen
Unsere Vorfahren im Glauben opferten viele Dinge, die uns emanzipierten Demokratinnen und Demokraten unverzichtbar erscheinen. Sie taten es, weil sie überzeugt waren: Dieses Opfer ist um Christi willen – nur um Christi willen – gerechtfertigt, ja gefordert.
Heute braucht es dieses Opfer nicht mehr. Im Gegenteil: Heute verunmöglichen wir die Verkündigung des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus durch ein Beharren an Konventionen, die doch schon Paulus obsolet fand und heute gar nicht mehr verstanden werden. Oft kommt es gar nicht mehr zur Christusverkündigung, weil die Leute schon vorher abwinken, weil sie sich von einer skurrilen Gruppe wie uns, die nicht einmal Männer und Frauen gleich wertschätzt, nichts aufschwatzen lassen wollen. Und sich schon gar nicht einen gekreuzigten und auferstandenen Messias andrehen lassen wollen. Durch ein – in den Augen unserer säkularen Umwelt – unverständliches Festhalten an Bräuchen, Einstellungen und Werten opfern wir die letzten Chancen für eine Christusverkündigung in säkularer Zeit. Das ist der eigentliche Skandal.
Ich kann ja verstehen, dass die Männer im Lauf der Jahrhunderte Gefallen daran gefunden haben die Macht nur unter sich aufzuteilen. Vielleicht ist der von Gott – von wem den sonst! – verhängte praktisch 100% Berufungslogdown an Priester- und Ordensberufungen die letzte Mahnung.
Wir Jesuiten haben unser Noviziat in Deutschland schließen müssen und unsere theologische Hochschule in Frankfurt kämpft um das Überleben, die Priesterseminare sind leer und viele der wenigen, die noch dort sind, scheinen mir auch nicht immer die zu sein, die diese Zeit braucht und das Rad noch einmal wenden können.
Wir brauchen Verkünder und Verkünderinnen des gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus, die bereit sind diesem zentralen Anliegen zu dienen, ohne Scheuklappen, ohne Raster, ohne Schablonen, ohne Angst, Sklaven und Freie / Angestellte und Unternehmer, Juden und Griechen / Inländer und Ausländer, Männer und Frauen, alle! Und wir brauchen Euch – jetzt. Amen