100 Jahre in 60 Minuten

Dr. Johannes Cladders lässt ein Jahrhundert in Bild und Wort Revue passieren

Ein weiteres Modul unseres 100-jährigen Gemeindejubiläums in diesem Jahr war der Vortrag am Samstag, 02. Oktober 2021, von Dr. Johannes Cladders über die Kirchen von St. Canisius. Erst 100 Jahre alt, scheint die Gemeinde einen beachtlichen Verschleiß an Kirchen und Notkirchen zu haben…

Der Vortrag begann gleich nach der Abendmesse. Es war schon dunkel geworden, so dass die an die Altarwand projizierten Bilder ausgezeichnet zu sehen waren. Während Dr. Cladders vom Ambo aus sprach, steuerte seine Frau Eva Maria Höller-Cladders den Beamer, so dass an diesem Abend Ohr und Auge gleichermaßen bedient wurden. Das Ehepaar Cladders hatte reichlich Bildmaterial dabei, der für so manchen sentimentalen Ach!-Effekt unter den schon länger in St. Canisius weilenden Gästen sorgten.

Johannes Cladders beschrieb mit zahlreichen Luftbildaufnahmen aus den 20er und 30 Jahren den Standort gegenüber dem Lietzensee und dem Grundstück Neue Kantstraße, wo die ersten (Keller-) Kirchen lagen. Sehr interessant war, wie der Bau und die Ausrichtung der Gotteshäuser versuchten der damaligen Theologie zu folgen: Die Weg-Kirche spiegelte das wandernde Gottesvolk wider, das – mit ihrem Pfarrer an der Spitze – Richtung Hochalter bzw. Christus unterwegs war.

Die Kunst der ersten Canisius-Pioniere bestand darin, die theologischen Vorgaben so gut es ging in den beengten, vorgegeben Umständen umzusetzen. So musste man aus statischen Gründen in der früheren Kirche im Keller des Gebäudes in der Neue Kantstraße mit drei sichtversperrenden Säulen leben.

Hatte man schließlich eine Theologie gerechte Kirche geschafft – wie Reinhard Hofbauer 1955 mit „St. Nissen“ – in Anspielung auf die damals in Gärten und Baugebieten befindlichen Wellblechnissenhüten – dann änderte sich die Theologie schon wieder: Während bisher das Volk im Gottesdienst gleichsam Richtung Jerusalem marschiert, favorisierte des 2. Vatikanische Konzil jetzt die um den Altar sich versammelnde Gottesdienstgemeinde. Nun versuchte man wenigstens, den Altar etwas ins „Volk“ hineinzurücken, damit der Klerus nicht gar so abgehoben und weggerückt wirkt.

Freilich, wie Dr Cladders spannend betonte und anhand von Entwürfen, Vorbildern und anderswo umgesetzten Modellen illustrierte: Viele Ideen konnten auch nicht verwirklicht werden. Teils, weil es baulich doch nicht sinnvoll war, teils, weil einfach das Geld fehlte. Die Brandkatastrophe von 1995 wurde so auch zu einer Chance. Drei Architektenbüros kämpften um den besten Entwurf mit der Kirchengemeinde, ihren Gremien und weiteren hinzugezogenen Fachleuten. Am Ende freilich sollte es dann doch ganz anders kommen: ein radikal veränderter Entwurf des Büros Büttner, Neumann und Braun bekam den Zuschlag und wurde umgesetzt: die heutige Canisiuskirche, die Herr Cladders in seinem letzten Teil bautechnisch noch vorstellte.

Bilder der aktuellen Kirche, aber auch von den Vorgängerkirchen finden Sie auch auf unserer Homepage unter https://sanktcanisius.de/baugeschichte/. Dort gibt es auch fachkundige Infos zur Baugeschichte.

100 Jahre St. Canisius sind 100 spannende Jahre. Theologie und Ästhetik haben quasi 180-Grad-Wenden hingelegt, Pragmatik und Geldmangel forderten ihren Tribut. Aber am Ende – so die Besucherinnen und Besucher quasi unisono – hat es sich gelohnt: Mit der jetzigen St. Canisiuskirche sind wir bestens bedient und dürfen auch ein wenig stolz auf uns sein. Mal sehen wie viele Kirchen wir im kommenden Jahrhundert verschleißen…

Herzlichen Dank an Dr. Johannes Cladders für einen kurzweiligen, illustrativen und erhellenden Ritt durch 100 Jahre St. Canisius!

P. Manfred Hösl SJ